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Nassersee, März 2016

Wassermelonen

Lake Nasser in a nutshell

Bei einer Wanderung in der Wüste am Nassersee sind wir neugierig geworden und erkunden Felder mit gewaltigen Wassermelonen. Nicole hat da ein ganz mieses Gefühl: „Muss das sein?“, wundert sie sich. „Ob das eine schlaue Idee ist, hier einfach umherzustreunen?“ Unser Guide ist unbesorgt, die Neugier hat ihn gepackt: „Was wohl hinter diesem Hügel wächst?“, fragt er und deutet auf die nahe Erhebung. Man munkelt, hier in der unkontrollierbaren Weite der Wüste würde vielleicht das ein oder andere Pflänzchen angebaut, das im belebten Niltal sofort die Ordnungshüter auf den Plan rufen würde.

Aus einer Farmhütte aus Schilf treten Männer, 15 bis 20 an der Zahl – und rennen los. Wie von der Tarantel gestochen sind sie unterwegs, kommen näher. Das Gehirn verarbeitet noch das Gesehene, da bleibt die Hälfte stehen. Ich bemerke es kaum, denn meine Aufmerksamkeit fesselt die andere Hälfte. Adrenalin schießt aus jeder Pore, in einem Höllentempo jagen sie direkt zu unserer Position. Noch wenige Schritte, dann haben sie uns erreicht.

„Was wollt ihr hier, seid ihr Ägypter?“ Die Frage klingt wie eine Drohung. Wir beruhigen, wir wandern nur, haben auch Frauen dabei. Sie erkennen, dass keine Gefahr droht. Die zurückgebliebene Hälfte der Truppe bekommt ein Zeichen, Entwarnung. Für uns ist das anders, die Erscheinung der Gestalten ist der Inbegriff von furchteinflößend: Wilde Bärte, ungepflegt. Knast-Tattoos. Durchtrainiert bis auf die letzte Muskelfaser. Zwischen zwanzig und dreißig mögen sie alt sein, aber das ist jetzt egal. Hier regieren sie. „Jetzt nur keinen Fehler machen“, denkt das Hirn.

„Wollt ihr Tee trinken? Was essen?“ Die Fragen kommen wie aus der Pistole geschossen. Kurz, abgehackt, Adrenalin-geschwängert. Bedrohlich. Sie zeigen Wirkung: „Auf gar keinen Fall, nichts wie weg“, hämmert mir das Hirn ins Bewusstsein. „Wo kommt ihr her, was macht ihr hier?“ Der Beschuss mit Fragen geht weiter. „Wir sind mit dem Boot gekommen“, antwortet unser Polizist in zivil. Er hält sich wohlweißlich im Hintergrund, hat die Waffe versteckt, gibt sich nicht zu erkennen. „Wir gehen da weiter.“ Er deutet auf den Hügel. Die Antwort folgt promt: „Ihr geht da lang!“, entgegnet der Anführer der Truppe und zeigt in die entgegengesetzte Richtung. Ich habe keinen Zweifel, dass das eine gute Idee ist. „Hauptsache schnell weg, bloß keinen Anlass zur Eskalation geben.“ Der Rest der Wandergruppe, ich nehme ihn kaum wahr. Alle Sinne sind auf die Gefahr gerichtet.

„Wassermelonen“, ruft eine der Gestalten, rennt ins Feld und macht kurzen Prozess. Mit einem Handgriff trennt er eine Melone von ihrer Pflanze. Mit einem Arm beschleunigt, fliegen gute fünf Kilo gute zehn Meter durch die Luft. Der Kollege fängt sie. Es sieht einfach aus, geradezu kinderleicht. Was für eine Machtdemonstration! Mit Wucht landet die Frucht in meinen Armen. „Da geht’s zurück zum Schiff, das ist der beste Weg“, betont der Chef nochmal mit Nachdruck und zeigt weg vom Hügel und den Feldern. Eine Widerrede wagt keiner. Wir sind froh, dass es nur der Melone an den Kragen ging. Erst als wir schnellen Schrittes abziehen, merke ich, wie sich das eigene Adrenalin zu Wort meldet. Der Puls hämmert durch die Adern, als wir uns schleunigst vom Acker machen…

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 Urlauber mit Wassermelone.

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