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Luxor, September 2006

Lost in translation

Ägyptischer Alltag

„Ich muss dir etwas zeigen“, drängt Anne. Eine gewisse Vorfreude ist nicht zu übersehen, als sie einen Stapel Broschüren auf den Tisch legt. „Englische Schilder, Broschüren des Tourismusministeriums und Hotel-Werbung“, fasst sie zusammen, „blättere einmal durch!“ Worauf sie hinaus möchte, es wird schnell klar: Bedrucktes Papier entfaltet am Nil nicht selten eine unfreiwillige Komik. "Our service retains The natural warm friendliness for which Louxor is justly famous", verkündet das Handzettel des günstigen Restaurants am Nil, der als erster ins Auge sticht. „Der Graus eines jeden Englischlehrers macht keinen Unterschied zwischen billigen Flyern oder teuren Opernbroschüren“, wirft Anne schnell ein, bevor ich etwas sagen kann. Sie hat Recht, selbst die Namen besserer Hotels werden verunstaltet: Das „Bill Eipoc“ (Belle Epoche) oder das Kdes Hotel (Gaddis), das „City first“ (Seti first) oder das „Golly Viel“ (Jolly Ville) sind keine Einzelfälle, sondern in guter Gesellschaft. Die Sammlung der amüsantesten Fehldrucke ist äußerst unterhaltsam: „9 Sweets“ (9 suites) mit je „tow Bed Rooms“ (two bedrooms), „Air Condation“ (air condition) und „Privet Bathroom“ (private bathroom)“, preist eine Broschüre die Vorteile des Hotels mit erstaunlicher Fehlerhäufigkeit. Zur Entspannung kann man bei der Konkurrenz „Coulor TV“ (color TV) oder ein „Vedio“ (video) schauen – oder das „Telehon“ (telephone) nutzen, welches „directely dialled“ (?) werden kann. Standesgemäß muss der Gast in einem anderen Haus seine Wäsche natürlich nicht selbst waschen, sondern kann auf den „laundty service“ (laundry service) zurückgreifen. Während sich dieser um die Kleidung kümmert, stehen die „Parteing facilities“ (party facilities), die Weiting Long (waiting lounge) oder das „Europian RestaNrant“ (European restaurant) auf dem „Rof Garden“ (roof garden) zum Zeitvertreib zur Verfügung. Faltblätter weisen auf diverse ergänzende Angebote hin: Appetit auf Pizza'a (pizza)? Oder lieber bei „Macdonaldes“ (Mc Donalds) dinieren? Die Auswahl der Restaurants und der unterhaltsamen Finten des Fehlerteufels ist groß. Ein sehr bekanntes Hotel wirbt damit, im „international reservation ScreeU“ (internat. Reservation screen) den nächsten Urlaub direkt vor Ort zu buchen. Als Urlaubs-Highlights empfiehlt das Haus einen Besuch im „Valley of the King“ (Valley of the Kings) und der „sacrcophagus chamber“ (sarcophagus chamber) des Tutanchamun. Besonders sehenswert seien auch der Tempel der „Hatshbosoot“ (Hatshepsut) und die Darstellung des altägyptischen Gottes „Ra-Horakht(szet)i“ (Ra Horakhty). Ein Werbeblatt der Oper in Kairo berichtet auf deutsch über ihre wechselvolle Geschichte: „Das Ende des Jahres 1877 erlebte den Bankrott." In den „StatLstLcs“ (statistics) sind Zahlen und Fakten anschaulich aufbereitet.

„Kreative Schreibweisen englischer Wörter sind ein Phänomen am Nil“, bestätigt Anne das Offensichtliche, „ich frage mich, warum man nicht einmal vor dem Druck einen Muttersprachler darüber lesen lässt.“ Sie hat einen berechtigten Punkt. „Manchmal würde auch ein Rechtschreibprogramm ausreichen“, schießt es mir durch den Kopf. Später erläutert Hamid grinsend zu diesem Thema: „Es mag komisch klingen, aber die Umgangssprache in Ägypten hat keine festgelegten Schreibweisen. Man schreibt, wie man es spricht. Da kann es schon einmal mehrere Schreibweisen für das gleiche Wort geben.“ Damit liegt er völlig richtig. „Bei einer Fremdsprache kommt es angesichts dessen doch wirklich nicht so genau“, schiebt er nach. Meint er es ernst? Ägyptischer Humor, vermutlich der richtige Umgang mit einer echt ägyptischen Eigenart.

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Man weiß, was gemeint ist...

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