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Kairo, Dezember 2014

Nicht auf dem Schirm

Ägyptens besondere Orte

„Hier werden Mafia-Filme gedreht“, ist mein erster Gedanke, als ich durch den Spalt der sich öffnenden Tür blicke. Zielstrebig hatten wir dank fachkundiger Begleitung unser Ziel angesteuert, den kleinen Eingang etwas abseits der Straße passiert, ein paar Stufen hinter uns gebracht und die unscheinbare Türe gefunden. Jetzt fällt mein Blick in einen Raum, vielleicht 30 Quadratmeter groß. Ein Tresen, ein paar Tische und Barhocker, dazu gedimmtes Licht. Die Luft ist von Zigarettenqualm geschwängert, geradezu zum schneiden. Auf den Tischen Essensreste, Krümel, eingetrocknete Flüssigkeitsränder. Im Hintergrund läuft gedämpft Musik. Aber die Stimmung ist heiter, geradezu ausgelassen. Am einfachen und sehr preiswerten Essen liegt es nicht, hierher kommt man aus anderen Gründen. Bier und Schnaps gibt es, das Essen ist bloßes Beiwerk. Ägyptischer Vodka, Rum und andere Shots sind preisgünstig zu haben. Immer wieder schauen vorsichtige Gesichter durch einen Türspalt, huschen mehr Gestalten herein. Es sind viele jugendliche Paare oder kleine Grüppchen. Sie ordern ein paar Snacks und dann wird das Glas gehoben. Einmal, zweimal, immer wieder. Mit dem Pegel steigt die Stimmung. Immer wieder muss der Wirt junge Männer von Tischen holen, während nebenan die Kräfte beim Armdrücken gemessen werden. Gleich einen Tisch weiter genießt ein junges Pärchen die traute Zweisamkeit, hier in diesem kleinen Mikrokosmos. Keine neugierigen Blicke gibt es. Alle genießen den Raum fernab der strengen gesellschaftlichen Normen, der Ge- und Verbote. ‚Einfach mal unbeobachtet sein’, zusammen Spaß haben. So, wie es jedes Wochenende Millionen von europäischen Jugendlichen tun. Behörden wie Eltern haben diese Location ganz sicher nicht auf dem Schirm. Niemand hier macht Probleme, alle sind äußerst freundlich, denn das soll auch so bleiben. Die Atmosphäre ist geradezu entspannt, es wird viel gelacht. Ein Polizeieinsatz ist das Letzte, was man gebrauchen kann. „Du darfst auf keinen Fall den Ort beim Namen nennen, wenn Du eine Story darüber schreibst“, beschwört mich Ali inständig, „sonst ist es bald mit dieser Nische aus. Wenn Du etwas schreibst, darf man daraus unter keinen Umständen auf den Ort zurückschließen können.“ Als die kleine Gruppe am Nachbartisch aufbricht, schiebt sich eine vielleicht 17-jährige Pfefferminz-Kaugummis gleich im Doppelpack in den Mund. Zuhause, da soll bitte niemand etwas von dem kleinen Ausflug erfahren.

Das nächtliche Kairo schläft nicht.

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