Sprechchöre hallen durch die Straßen. Gut 30 Personen ziehen mit einem Transparent vor meinem Hotel vorbei zum Tahrirplatz. Ich traue meinen Augen kaum. Bei der letzten Demo vor meiner Nase kamen auf rund einhundert Demonstranten geschätzte 2000 Polizisten. Das war noch unter dem „Pharao“ genannten Langzeitpräsidenten Hosni Mubarak. In der Zeit nach Mubarak sucht man Polizei vergebens. So blockiert eine kleine Gruppe eine Hauptstraße und niemand beachtet sie. Ringsherum geht das Leben seinen gewohnten Gang.
Auf der angekündigten Großdemonstration auf dem Midan Tahrir sind vielleicht 1000 Menschen. Es ist ein reges Kommen und Gehen, die meisten Teilnehmer verweilen nur kurz. „Demo light“ sozusagen. Ich bin etwas enttäuscht. Dann setzt sich doch noch ein Demonstrationszug in Bewegung. Die Jugendbewegung des 6. April marschiert zum Midan Talaat Harb. Die Menschen in der selben Straße gehen unbeirrt ihrem Alltag nach. Noch den ganzen Nachmittag und Abend werden Sprechchöre durch die Straßen hallen. Demonstrationen gehören nach der Revolution des 25. Januar („#Jan25“) scheinbar zum normalen Straßenbild in Downtown Kairo. Was für ein Unterschied zu den Jahren zuvor. Aber das revolutionäre Feuer ist klein geworden. Etwas Wind und es geht aus - oder flammt wieder richtig auf.
© 2015-2020 Toms-Notes.com | designed by Karma Klin Gabriel | All rights reserved.